Zumindest ein gelegentliches Rühren in der Schüssel und das hübsche Klackern der Kugeln wird es auch weiterhin geben, wenn am Donnerstagabend zum ersten Mal die Begegnungen der reformierten Europapokale ausgelost werden. Allerdings nur als Element der Inszenierung einer Show, die ja irgendwie fernsehtauglich sein muss. Sky zeigt ab 18 Uhr die Ziehung der Champions-League-Partien, es folgen am Freitag (ab 13 Uhr) die Europa League und die Conference League.
Die Hauptarbeit wird dann nicht mehr von Menschen verrichtet, die Kugeln aufschrauben und Zettelchen herausfummeln. Ein Klub wird von Hand gezogen, woraufhin eine Software innerhalb weniger Sekunden die jeweiligen Gegner ermittelt – so lange, bis alle Klubs mit Kontrahenten versorgt sind. In Champions League und Europa League sind das acht, in der Conference League sechs.
Gespielt wird nicht mehr im Vierergruppen-System, stattdessen werden die 36 Teilnehmer der Champions League (genau wie in den anderen beiden Wettbewerben) in einer einzigen Tabelle geführt werden. Die ersten acht qualifizieren sich direkt fürs Achtelfinale, die Teams von Rang neun bis Rang 24 spielen in Playoffs die anderen acht Achtelfinalteilnehmer aus. Abstiege in einen anderen Wettbewerb gibt es nicht mehr. Dahinter steckt ein Modus, der so kompliziert ist, dass seit vielen Monaten mit großem Aufwand an einem funktionierenden Auslosungsverfahren getüftelt wird.
So hat der europäische Fußballverband Uefa die auf Sportsoftware spezialisierte Firma ae.live aus England beauftragt, einen Algorithmus zu entwickeln, der jedem Teilnehmer seine Gegner zuweist. Um den Spielplan alleine für die neue Champions League im klassischen Verfahren ohne die Hilfe eines Computers zu ermitteln, wären nämlich „mehr als 1000 Kugeln mit mindestens 36 Lostöpfen nötig gewesen“ hat der Uefa-Wettbewerbsdirektor Tobias Hedtstück Mitte August in einer Runde mit Journalisten erklärt. Drei Stunden hätte das Verfahren gedauert, und wahrscheinlich wäre es für die Verantwortlichen kaum möglich gewesen, wirklich den Überblick über alle zu beachtenden Details zu bewahren. Das System aus Prämissen und Ausschlusskriterien, die berücksichtigt werden müssen, ist nämlich hochkomplex.
In der Champions League wird es dann vier virtuelle Töpfe mit Teams geben, die nach Stärke sortiert sind. Jeder Klub bekommt aus jedem Topf zwei Vereine, also insgesamt acht Gegner zugelost. Hin- und Rückspiele gibt es nicht mehr, allerdings sorgt der Algorithmus dafür, dass jeder Teilnehmer einmal auswärts und einmal vor heimischem Publikum gegen seine beiden Gegner aus dem jeweiligen Topf antritt. Wenn also die Bayern aus Lostopf 1 die Gegner Real Madrid und FC Liverpool zugelost werden, spielen sie auswärts in Madrid und zu Hause gegen Liverpool oder umgekehrt. Das Gleiche gilt für die Gegner aus jedem anderen Topf.
Champions League: Welche Maßnahmen hat die Uefa ergriffen?
Bevor der Computer die acht Gegner für einen Klub veröffentlicht, führt das System einen Check durch und prüft, ob die Auslosung unter Berücksichtigung aller relevanten Kriterien zu Ende geführt werden kann. Falls nicht, wird erneut gelost, bis die passenden Gegner gefunden sind. Begleitet wurde die Entwicklung der Software von Ernst and Young, um sicherzustellen, dass Manipulationen unmöglich sind. Außerdem wurden umfassende Maßnahmen gegen Cyberattacken ergriffen. So wird das System am Tag der Auslosung in einer geschlossenen Umgebung arbeiten
Dabei müssen viele Dinge berücksichtigt werden: Keine Mannschaft kann gegen einen Klub aus seinem eigenen Heimatland antreten. Zudem dürfen höchstens zwei der zugelosten Gegner aus der gleichen Nation kommen. Des Weiteren sorgt der Computer dafür, dass es nicht zu politisch unerwünschten Partien kommt: Armenier können nicht auf Aserbaidschaner treffen, ein Verein aus dem Kosovo darf nicht gegen Teams aus Serbien und aus Bosnien-Herzegowina spielen, Begegnungen zwischen Teilnehmern aus Spanien sowie Gibraltar sind ebenfalls ausgeschlossen. Zu Spielen, die bei Fans ein gewisses Unbehagen auslösen würden, kann es aber trotzdem kommen.
Champions League: RB Leipzig gegen RB Salzburg möglich
Möglich sind nämlich Duelle von Klubs, die demselben Konzerngeflecht angehören, wie zum Beispiel Spiele zwischen RB Leipzig und RB Salzburg. Oder zwischen Manchester City und dem FC Girona. Hier hat die Uefa im Juli mitgeteilt, dass in den betroffenen Vereinen „wesentlichen Änderungen bei den Eigentumsverhältnissen, der Führung und der finanziellen Unterstützung“ vorgenommen wurden, die „den Einfluss und die Entscheidungsbefugnis der Investoren bei mehr als einem Verein erheblich einschränken“. Damit seien Interessenkonflikte ausgeschlossen.
All das ist gewöhnungsbedürftig und relativ kompliziert, die meisten Klubvertreter aber glauben mittlerweile daran, dass der neue Wettbewerb attraktiver und spannender wird. Auch wenn manche Auswirkungen gerade für die Bundesliga schwierig werden könnten. Zwischen Weihnachten und den ersten Spielen des neuen Jahres konnten die Spieler deutscher Klubs sich immer ganz gut erholen, „jetzt wird im Januar an den Spieltagen sieben und acht die Teilnahme an der Champions-League-K.o.-Phase entschieden“, sagt Bayer Leverkusens Geschäftsführer Simon Rolfes. „Das wird einen deutlichen Einfluss auf die Winterpause haben. Unsere Spieler müssen jetzt viel früher in Topform sein.“ Am Donnerstagabend weiß Rolfes dann genau, gegen wen der Deutsche Meister in diesen entscheidenden Wochen spielen wird.